DIE UNGRARISCHE BUCHBRANCHE

 

ach einer schwierigen Phase im Zusammenhang mit der Wende 1989 und den marktwirtschaftlichen Umstellungen hat sich die Lage in der ungarischen Buchbranche konsolidiert. Verlage, die die letzten problematischen sieben Jahre überlebt haben, konnten sich 1997 und 1998 über gute Ergebnisse freuen. In beiden Jahren konnte die Buchbranche 20% nominales Wachstum verbuchen. Der Umsatz stieg von 20 Milliarden Forint (ca. 204 Millionen DM) im Jahre 1996 auf 30 Milliarden (ca. 250 Millionen DM) im Jahre 1998*. Diese Entwicklung ist um so bemerkenswerter, da die Gesamtproduktion von 120 Millionen Bücher von 1989 mittlerweile auf weniger als die Hälfte, auf 50 Millionen Exemplaren, zurückgegangen ist.

Dieses scheinbare Paradox ist durch die enorm gestiegenen Preise zu erklären: Zwischen 1990 und 1998 haben sich die Preise der belletristischen Werke verachtfacht, für Fach- und wissenschaftliche Bücher muß man heute zehnmal so viel zahlen wie Anfang der 90er Jahre. Dies hängt, abgesehen von gestiegenen Rohstoffpreisen und Produktionskosten, auch mit der Erhöhung der Steuer auf Bücher zusammen. Das Vorprivatisierungsgesetz von 1990 wird ebenfalls dafür mitverantwortlich gemacht: Zwei Drittel der 1991 privatisierten Buchhandlungen – etwa 400 bis 500 - änderten ihr Profil. Viele Buchhändler verlegten ihren Sitz auf die Straße und bald wurden 40% der Bücher auf Bürgersteigen und in Unterführungen verkauft. So sparten die Straßenbuchhändler Betriebskosten und konnten die Bücher unter dem realen Preis - natürlich illegal - verkaufen... Viele Teilnehmer des damaligen Schwarzmarktes haben heute ihre Tätigkeit legalisiert und halten sich an die Spielregeln des Buchmarktes. Es gibt landesweit wieder etwa 700 Buchhandlungen. Der neugewonnene freie Markt, der sich heute in einem kreativeren Angebot und bunten abwechslungsreichen Buchläden zeigt, forderte so zwischenzeitlich auf mehreren Ebenen seinen Preis.

Auch in der Verlagslandschaft gab es erhebliche Veränderungen. Während bis Mitte der 80er Jahre der ungarische Buchmarkt von 26 großen staatlichen Verlagen beherrscht wurde, sind heutzutage etwa 1.000 Firmen im Verlagswesen tätig, wobei die größten fünf über 36% Marktanteil, mit den folgenden 21 Verlagen über 55% verfügen.

28% des Jahresumsatzes 1998 haben Sachbücher und populärwissenschaftliche Werke ausgemacht. Die Belletristik war mit 20% am Jahresumsatz beteiligt, wobei dabei rund ein Viertel auf qualitativ hochwertige, anspruchsvolle Literatur entfiel. Die Nachfrage nach Fachbüchern und wissenschaftlichen Werken ist in Ungarn nach wie vor groß: Rund 15% des letztjährigen Umsatzes entfiel auf diesen Bereich; importierte Bücher machten ca. 8% aus.

* bei Umrechnungskursen 1996 von 1 DM = 98 Forint, 1998 = 1 DM = 120 Forint

Bei den rund 10.000 Neuerscheinungen 1998 führten die wissenschaftlichen Werke und Fachbüchern mit 4020 neuen Titeln, gefolgt von der Belletristik mit 2377, den Schulbüchern mit 1696 und den Sachbüchern mit 1517 Titeln.

Der Umsatz der Schulbücher übertrifft den der Belletristik. Jährlich erwirtschaften die Schulbuchverlage 7 Milliarden Forint (ca. 54 Millionen DM), was 1998 rund 26% des Jahresumsatzes entsprach. Mit dem Entfallen der staatlichen Unterstützung sind die Schulbuchpreise rasch gestiegen: Laut einer Analyse der Napkönyv GmbH kosten heutzutage Grundschulbücher 62mal so viel wie 1990, Mittelschulbücher etwa 60mal und Fachbücher an Hochschulen und Universitäten 50mal. Die Förderung des ungarischen Schulbuchsystems ist bemerkenswert. Die “Stiftung Ungarisches Buch“ verteilt dieses Jahr knapp 80 Millionen Forint (ca. 600.000 DM), Grundschulbücher werden von staatlicher Seite mit 460 Millionen (ca. 3,5 Millionen DM) , Hochschulen und Universitäten mit etwa 450 Millionen Forint (ca. 3,4 Millionen DM) unterstützt - eine beträchtliche Summe für die Schulbuchverlage. Diese intensive Förderung - in Verbindung mit der Streichung der Mehrwertsteuer auf Schulbücher seit dem letzten Schuljahr - hat im letzten Jahr zu einer spürbaren Verlangsamung des Preisanstiegs geführt.

Das Erscheinen ausländischer Großverlage - wie Bertelsmann, Springer oder der holländische Wolters Kluwer - neben den kapitalarmen ungarischen Verlagen wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Viele Experten hatten befürchtet, daß die ausländischen Riesen den ungarischen Markt dominieren könnten. Diese Befürchtung bestätigte sich allerdings nicht. Im Gegenteil, ausländische Verlage verfügen zwar über lukrative Sparten der Verlagsbranche, im ganzen haben sie aber weniger als 25% Marktanteil. Der Vertrieb in Ungarn erfolgt aber nicht nur durch dort ansässige Filialen. Im Jahre 1998 wurden mit importierten Büchern rund 2,3 Milliarden Forint (ca. 18 Millionen DM) erwirtschaftet.

Die Stabilisierung des Marktes und die positiven Wirtschaftsdaten, die vor allem den Lesern zu verdanken sind, die sich mittlerweile mit den höheren Buchpreisen abgefunden haben, lassen für die Zukunft optimistische Prognosen zu. Peter Zentai, Vorsitzender der ungarischen Verlegervereinigung: “Es gibt kaum einen Bereich in der Wirtschaft und schon gar nicht in der Kultur, der ein solches dynamisches Wachstum verzeichnen kann. Deshalb ist es sicherlich nicht übertrieben zu sagen, daß das ungarische Verlagswesen ein permanenter Impulsgeber für die gesamte kulturelle Entwicklung ist.“

Um den ungarischen Büchern einen stärkeren Auftritt im Ausland zu ermöglichen, wurde vor drei Jahren ein Übersetzungsfonds eingerichtet, der auch nach der Buchmesse weiterexistieren wird. Mit einem Budget von 40 Millionen Forint (ca. 330.000 DM) unterstützt dieser 1999 Übersetzungen aus dem Ungarischen.

Die Anerkennung im Ausland für diese Entwicklungen läßt nicht auf sich warten: Als erster osteuropäischer Verleger- und Buchhändlerverband wurde der ungarische in die Europäische Verlegervereinigung und die Europäische Vereinigung der Buchhändler aufgenommen.

 

 

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